Ich war wirklich gespannt, wie sie denn aussehen wird, die neue Marke unserer Hauptstadt. Schlicht, bunt, vielfältig, elegant, weltoffen, …? Aber mal ehrlich, jetzt kann man es ja sagen: Die bisherige „sei Brandenburger Tor Berlin“ Marke war so wie Berlin in den letzten zwölf Jahren – hier etwas angebaut, dort eine Säule hingesetzt und da noch eine, egal, muss ja nicht zusammenpassen.
Für mich war die bisherige Stadtmarke in ihrem visuellen Erscheinungsbild die schlimmste unter allen europäischen Metropolen. Eine zusammengepuzzelte Multischriftendenkmal-Wort-Bild-Marke – weniger wäre mehr gewesen.
Und schon ein Wahrzeichen, dann bitte den Fernsehturm, der das Brandenburger Tor mit dem Aufkommen der Sozialen Medien sehr schnell als beliebtestes Wahrzeichen überholt hatte. Nicht so der Mottomarken-Claim „be Berlin“, der den heimlichen Slogan „Arm aber sexy“ doch über die Jahre vergessen hat machen. „be Berlin spiegelte auch sehr gut das Lebensgefühl der Generation easyJet wieder. „be Berlin“ war auf jeden Fall gut für das Standort- und Tourismusmarketing und für das Wirtschaftseinkommen unserer Stadt. Der Overtourism passt aber heute nicht mehr mit „Wir“ zusammen.
Eine kleine Anekdote aus meinen Besuchen in anderen Städten: So richtig geschämt habe ich mich, als der CIO der Stadt Bilbao mir bei einer Besprechung im hiesigen Rathaus seinen wirklich ästhetischen silbernen „B“-Anstecker gab. Ein „B“, das ich mir auch für Berlin gewünscht hätte. So wie das „A“ der Antwerpener, das „D“ aus Denver oder das „M“ der Stadt Melbourne. Ich hätte es mir gewünscht, das Berliner „B“, das i-Tüpfelchen, der ultimative Ausdruck, das Kondensat Berlins.
In meinem Hinterkopf und im Bücherregal schwirrte zu jeder Zeit Anton Stankowskis Berlin-Layout-Heft von 1968 herum. Für mich zeigt es, wie einfach und perfekt eine Stadtmarke gestaltet sein kann.
Zugegeben, sie passt so nicht mehr in unsere Zeit, ich freue mich aber, dass die neue Stadtmarke doch stark daran erinnert, wenn man beide Entwürfe nebeneinander legt. Nun ja, der Bär war auch schon 1968 mit dabei, damals noch mit Krone (s.u.).
Dass auf Basis des vorangegangenen Leitbildprozesses mit kindlicher Logik, aber mathematischer Präzision mehr Zusammenhalt und ein stärkeres Wir-Gefühl in der Bevölkerung durch die Formel „Du + Ich = Wir“ erzeugt werden soll, hat mich zudem positiv überrascht. Ausgedrückt mit der Internetadresse www.wir.berlin ergibt sich ein Perfect Match mit der digitalen Stadtmarke .berlin.
Alles in allem finde ich, dass die Akteure, namentlich Ressourcenmangel, Jung von Matt und Prof. Sebastian Zenker, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, visitBerlin, Kulturprojekte GmbH, Medienboard Berlin-Brandenburg und die Senatskanzlei in der Kreation der neuen Stadtmarke gute Arbeit geleistet haben. Ich frage mich aber, ob „Wir“ auch ohne Corona entstanden wäre und würde mir gerne mal ansehen wollen was auf dem Weg zum „Wir“ alles verworfen wurde.