Der Namensgeber

Knapp 15 Jahre hat es gedauert, bis die Geschäftsidee von dotBerlin Realität wurde. Heute kann jeder die TOP LEVEL DOMAIN ».berlin« nutzen

Hinter den Kulissen des Friedrichstadtpalastes wurde in den vergangenen drei Monaten kräftig gewerkelt – viel gab es für die Mitarbeiter zu tun, um in der virtuellen Welt umzuziehen. Jetzt hat der Friedrichstadtpalast als erste Bühne des Landes Berlin eine neue Webadresse. Aus dem 24 Zeichen langen Namen »friedrichstadt-palast.de« wurde kurz und knapp »palast.berlin«. An dem Wechsel zur Top-Level-Domain .berlin hängt viel dran. Die Liste der Werbemittel, die der Veranstaltungsort einsetzt, ist lang. Rund 70 Posten sind von dem Internet-Umzug betroffen, neben dem Neudruck von Plakaten, Ticketgutscheinen oder Flyern muss die neue Adresse auch auf Bussen, Taxis, Velotaxis und Schiffen geändert werden. Auch Stadtplananzeigen, Visitenkarten oder Werbung im U-Bahnfernsehen werden sukzessive umgestellt, ebenso wie das gesamte Online-Marketing.

Der Vorteil der neuen Berlin-Adresse: Der Name ist eingängiger, wird von den Suchmaschinen im Netz schneller gefunden und ermöglicht eine leichtere Eingabe in mobile Endgeräte. Intendant Bernd Schmidtke drückt es zum Start von »palast.berlin« etwas blumiger aus: »Die Umflaggung ist eine virtuelle Liebesbekundung an Berlin«, sagt er. »Prägnant, leicht zu merken und mit klarem Bezug zu dieser auch international hochattraktiven Reisedestination.«

Dass der Friedrichstadtpalast und viele andere Berliner Institutionen und Unternehmen die neue Top Level Domain nutzen können, ist Dirk Krischenowski zu verdanken. Der ausgebildete Biochemiker und Wirtschaftswissenschaftler hatte schon 1999 die Idee, sich um die Berliner Domainendung zu bemühen. Gemeinsam mit dem Politologen und PR-Berater Johannes Lenz-Hawliczek und der Ökonomin Karin Ohlmer hat er einen langen Atem bewiesen. »Die Idee, so etwas zu schaffen, ist so alt wie das Internet, als man damals .com oder .de eingerichtet hat«, sagt Krischenowski, CEO von dotBerlin GmbH &Co. KG, die er 2005 zusammen mit seinen beiden Mitstreitern gegründet hat. In den Anfängen habe man nicht daran gedacht, dass ein so großer Bedarf entstehen würde. Und sicherlich hat das Trio auch nicht erwartet, dass sich der Weg dorthin derart aufwendig und langwierig gestalten wird.

Denn die Möglichkeit, regionale Top-Level-Domains überhaupt zuzulassen, entstand erst 2004. Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) koordiniert die Vergabe von einmaligen Namen und Adressen im Internet. Die Non-Profit-Behörde mit Sitz in Los Angeles hat in den Folgejahren ein kompliziertes Bewerbungsverfahren eröffnet, an dem sich dotBerlin beteiligte. Krischenowski erinnert sich noch gut an die Anfänge: »Als wir gestartet sind, gab es noch keinen anderen, der das wollte.« Dann habe sich das aber relativ schnell durch sie befeuert: »Wir haben unser Konzept auch in anderen Städten vorgestellt, in Paris, London, New York, Hamburg. Und dann entstand weltweit so ein Grundrauschen.« Krischenowski und seine Mitstreiter reisten durch die Welt und knüpften über die Jahre persönliche Kontakte auf ICANN-Treffen in Südafrika, Malaysia und Argentinien, präsentierten ihr Konzept in Luxemburg, Vancouver und Wellington. Und auch in Berlin gab es viel zu tun. Denn sie benötigten eine Genehmigung des Landes Berlin, um an dem Bewerbungsverfahren überhaupt teilnehmen zu können. Die erhielt dotBerlin im Jahr 2012. »Wir haben die Genehmigung bekommen, weil wir eine Berliner Organisation sind. Sicherlich wurden aber auch unsere Vorarbeiten honoriert«, sagt Krischenowski. Zudem hat dotBerlin auch noch finanzielle Unterstützung von Berliner Unternehmen und Sponsoren eingeworben.

Ein weiteres Jahr später war es dann endlich so weit: Am 24. Mai 2013 wurde der Vertrag mit ICANN über den Betrieb von .berlin unterzeichnet, seit dem r8. März 2014 sind die .berlin-Domains registrierbar. Innerhalb des ersten Jahres haben 156.ooo Berliner davon Gebrauch gemacht. Ein neuer »Namensraum« ist entstanden, der langsam im Stadtbild sichtbar wird. Das positive Image der Stadt lässt sich gut transportieren, »gleichzeitig gibt die regionale Domain der Stadt Berlin als Marke etwas zurück«, sagt Krischenowski. Denn durch die neue Endung gebe es im Netz viele Kontakte mit dem Stadtnamen.

Neben dem Verkauf der Domains besteht die Hauptaufgabe inzwischen darin, die Sicherheit und die Stabilität der Endungen zu gewährleisten. »Da hängt ja unheimlich viel dran, wenn die gesamte Kommunikation eines Unternehmens auf einer Berlin-Adresse basiert«, sagt Krischenowski. »Wir als Anbieter müssen sicherstellen, dass die Domain zu jeder Zeit, 365 Tage im Jahr, erreichbar ist und nicht ausfällt.« Es sei ähnlich wie bei Strom oder Wasser. Keiner mache sich Gedanken darüber, was eigentlich dahintersteckt.

Begonnen haben sie zu dritt, heute beschäftigt dotBerlin acht Mitarbeiter. Gerade hat sich das Unternehmen vergrößert und neue Räume im Schöneberger Akazienhof bezogen. Mit den esoterisch angehauchten Massage- und Tanzstudios in der Fabriketage gibt es keine Berührungsängste. Es habe sich so entwickelt, man sei ja immer noch zentral, meint Johannes Lenz-Hawliczek: »Man muss als Start-up nicht unbedingt nach Mitte gehen. Wir sind auch so in der Szene drin.«

Artikel von Heike Gläser, Foto Thilo Rückeis, Tagesspiegel Köpfe, Mai 2015